Meer - für mich ein Zauberwort, lebe ich doch im österreichischen Binnenland. Erste Begegnungen gab es bereits in meiner Kindheit. Wir fuhren regelmäßig zu Freunden meiner Eltern in Belgien und machten von dort aus Ausflüge ans Meer. Ich erinnere endlosen Strand in De Panne und Ostende.
Ich habe wegen meiner aufgrund regelmäßig wieder-kehrender Mittelohrentzündungen vielfach durchlö-cherten Trommelfelle Gleichgewichtsprobleme und bin im Schwimmunterricht im Züricher Hallenbad ein-mal beinahe ertrunken. Das war derart traumatisch, dass auch ein Schwimmkurs im Alter von etwa 30 Jahren nichts brachte - berührt mich jemand, gehe ich unter wie ein Stein. Trotzdem ist das Meer meine große Liebe - es kann mir gar nicht wild genug sein. Seit ich in der Kindheit eine Sturmflut auf der Insel Wangerooge erlebt habe, wo ich 6 Wochen zur Erho-lung war, Liebe ich Gewitter und Sturm. Nie fühle ich mich lebendiger, als wenn die Elemente toben.
Stundenlang kann ich dieses Heben und Senken der Wasserfläche, das mir wie Atmung erscheint, beob-achten. Je stärker die Brandung, desto verbundener fühle ich mich mit diesem riesigen Organismus.
Am besten beschreibt ein mehrfach geträumter Traum meine innige Verbindung:
Mein schönster Traum
Gestützt auf die Brüstung
des halbverfallenen Turmes
der sich auf Felsen
inmitten der tobenden Brandung erhebt,
stehe ich, mit fliegendem Haar
und flatternd weißem Gewand,
im durch jagende Wolkenfetzen
wechselnden Licht des Vollmondes,
hoch über dem brodelnden Wasser,
das sich mit roher Gewalt
auf den felsigen Untergrund stürzt,
und seine Gischt bis zu mir emporschleudert.
Mir ist, als sei ich selbst
Wasser und Sturm zugleich,
führe sausend am Himmel
und krachend zerstiebend
auf die Felsen nieder,
um mich wieder zu vereinen
mit all meinen Körpern
zu einem Organismus,
der sich ständig neu erschafft,
lebendig und unzerstörbar.
Erwachend tauche ich
mit zugeschnürter Kehle
aus tiefem Schlaf,
um langsam, enttäuscht
und bitterlich weinend
zu erkennen,
dass dies Einssein
mit den Elementen und dem Ort
doch nur ein Traum -
oder Erinn'rung? - war.
© Barbara Schwarz